00:00:00: Und das ist natürlich ein Szenario, das mag sich niemand vorstellen.
00:00:03: Auch in Bezug auf die ökologischen Auswirkungen wäre das der größte anzunehmende Unfall
00:00:10: im Betrieb eines Tal sperren Systems, wenn tatsächlich Tal sperren leer laufen sollten.
00:00:15: Glas klar!
00:00:19: Der Politik-Podcast der Gelsen-Wasser-AG nimmt Sie mit auf eine spannende und erfrischende
00:00:23: Reise in eine blau-grüne Welt.
00:00:26: Mitten im Ruhrgebiet spricht Arndt Bärn mit seinen Gästen über aktuelle Themen aus
00:00:30: Energie, Umwelt und Klimapolitik.
00:00:33: Viel Vergnügen!
00:00:34: Es gibt Regionen in den Deutschland, in denen die Wasserversorgung in den letzten Sommern
00:00:40: schon auf der Kippel stand.
00:00:41: Auch in Nordrhein-Westfalen.
00:00:43: Laut Klimabodellen des deutschen Wetterdienstes wird NRW zwar auch in Zukunft ein eher wasserreiches
00:00:49: Land bleiben, aber eben nur im Durchschnitt.
00:00:52: Ostwestfalen Lippe zum Beispiel gehört mit einem durchschnittlichen Jahresniederschlag
00:00:57: von 700 bis 800 Meter zu den trockensten Gebieten im ganzen Land Deutschland.
00:01:03: Das benachbarte Sauerland und das Siegerland hingegen misst die doppelte Menge an Regen.
00:01:09: Und im Ruhrgebiet hatten wir bisher noch keine größeren Schwierigkeiten mit Dürre.
00:01:14: Stimmt diese Einschätzung eigentlich?
00:01:18: Wirkt sich der Klimawandel auf die Gewässer im Einzugsgebiet der Ruhr etwas nicht aus?
00:01:22: Und wenn das doch der Fall ist, was gilt es jetzt zu tun?
00:01:25: Über diese Fragen spreche ich heute mit Professor Norbert Jardin.
00:01:30: Er ist seit 2019 Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbandes.
00:01:35: Ich darf hier heute zu Gast sein, freue mich sehr.
00:01:37: Er ist bereits seit 2016 Mitglied des Vorstellendes im Ruhrverband und ist hier zuständig für
00:01:44: Technik und Flussgebietesmanagement.
00:01:46: Norbert Jardin hat Bauingenieurwesen in Karlsruhe, in Dampstadt und in Stanford in USA studiert.
00:01:53: Er promuiert 1995 über die vermehrte biologische Phosphorelimination und er war ab 1997 Leiter
00:02:01: der Planungsabteilung des Ruhrverbandes.
00:02:03: Lieber Professor Jardin, ich freue mich sehr, dass ich heute bei Ennihe sein darf.
00:02:07: Guten Morgen.
00:02:08: Guten Morgen Herr Beer.
00:02:11: Herr Jardin, bitte stellen Sie sich doch unseren Zuhörenden nochmal kurz selbst vor
00:02:16: und vielleicht mit Blick auf die Frage, was Ihnen spontan einfällt, wenn Sie an die USA
00:02:21: denken.
00:02:22: Wenn ich an die USA denke, fällt mir spontan natürlich die unglaublich faszinierende Natur,
00:02:31: die Vielfältigkeit der Landschaftsbilder in den USA ein und meine sehr inspirierende Zeit,
00:02:39: die ich in den USA verbracht habe und die auch meine Liebe zu diesen Naturwundern des
00:02:46: Landes geweckt hat.
00:02:48: Und seitdem gibt es kaum ein Jahr, in dem ich nicht mit mir schwanger gehe, ob ich nicht
00:02:56: in die USA reisen sollte.
00:02:58: Und das hat sich seit meinen Studienzeiten tatsächlich fast alle zwei bis drei Jahre realisieren
00:03:07: können.
00:03:08: Und das ist, denke ich, alle drei Jahre ein Teil meiner Sommerzeit in den Bergen von
00:03:13: Kalifornien, weit ab der Zivilisation mit einem Rucksack und Wandere durch diese faszinierenden
00:03:20: Landschaften.
00:03:21: Jetzt ist der Anford ja eine sehr renommierte Universität.
00:03:25: Was denken Sie da, denken Sie zurück an die Universitätszeit?
00:03:28: Ja, was für mich diese Zeit geprägt hat, war diese sehr inspirierende Zeit mit meinem
00:03:36: damaligen Hochschullehrer und meiner Betreuerin, die inzwischen auch Selbstprofessorin in
00:03:41: Berkeley geworden ist, ein sehr unkonventionelles, persönliches und freundschaftliches Miteinander
00:03:50: an der Hochschule, das eben auch neue Einblicke in das Lehren und Lernen vermittelt hat.
00:03:57: Ja, wenn Sie nicht arbeiten hier beim Berufverband, ist eine sehr wichtige Tätigkeit, aber was
00:04:03: machen Sie in Ihrer Freizeit?
00:04:04: Sind Sie eher der Typ Sportler oder Musiker?
00:04:07: eher der Typ Sportler.
00:04:09: Musik ist eher auf der passiven Seite bei mir sehr vorhanden.
00:04:14: Also, mein Spektrum ist tatsächlich sehr breit von Rockmusik bis Klassik ist alles dabei.
00:04:21: Ich bin ein leidenschaftlicher Abonnent der Philharmonie hier in Essen und mache dies
00:04:26: auch schon seit vielen Jahren mit meiner Frau zusammen.
00:04:28: Aber ansonsten gehen wir auch gerne auf Rockkonzerte, können auch das genießen und sportlich
00:04:34: bin ich gerne selbst aktiv unterwegs, entweder mit dem Rad zu Fuß oder jetzt bericht die
00:04:42: Winterzeit an, natürlich auch gerne auf Touren schien oder auch auf Langlauf oder Abfahrtsschienen.
00:04:49: Solange der Klimawandel noch zulässt, dass es Schnee gibt?
00:04:52: Genau, das ist gerade in Alpenregionen durchaus eine Herausforderung, gerade wenn man mit
00:04:57: Touren schie unterwegs ist, ist man ja auf ausschließlich natürlich ein Schnee angewiesen und das ist an
00:05:03: manchen Stellen schon etwas knapper geworden in den letzten Jahren.
00:05:06: Ja, ja, die lassen sich so ein Thema einsteigen, vielleicht für unsere Zuhörenden, die nicht
00:05:13: so affin sind oder in Nordrhein-Westfalen beheimatet, manchmal ist es ja nicht so richtig.
00:05:19: Was macht der Ruheverband aus?
00:05:20: Was ist die Aufgabe des Ruheverbandes?
00:05:22: Der Ruheverband ist ein sondergesetzlicher Wasserverband und die Wasserverbände in Nordrhein-Westfalen
00:05:28: sind in gewisser Weise schon eine Sonderkonstruktion und sind genialen Gedanken geschuldet, die unsere
00:05:37: Vorväter und vor Mütter damals zu Beginn des letzten Jahrtausends gehabt haben, als viele
00:05:44: dieser Wasserverbände in Nordrhein-Westfalen gegründet wurden.
00:05:47: Und die Idee damals war, die im Übrigen auch der Grundgedanke der 2000 verabschiedeten
00:05:54: Wasserrahmenrichtlinie ist, Flussgebiete ganzheitlich zu betrachten.
00:05:59: Also Institutionen zu schaffen, die die wasserwirtschaftlichen Aufgaben in einem gesamten Flussgebiet betreuen
00:06:08: und entsprechende Anlagen errichten und betreiben.
00:06:11: Also dieser Flussgebietseinsatz war der Gründungsgedanke, beispielsweise zuerst der M-Schau-Genoßenschaft,
00:06:17: und 1913 dann auch das Rohrverband ist.
00:06:21: Damals natürlich vor dem Hintergrund der massiven Wasserprobleme, die wir im Ruhrgebiet
00:06:25: hatten, mit teilweise extrem verschmutzten Wasser auch in der Ruhr und der schon damals
00:06:31: bestehenden Begrenzung der verfügbaren Rohwasserressourcen auf den natürlichen Abfluss der Ruhr.
00:06:40: Und daraus entstand die Idee, begründet letztlich durch Karl Imhof, eine Genossenschaft zu gründen,
00:06:48: die die gesamten Wasserprobleme, die Probleme der Güter, aber auch die Probleme der Menge
00:06:54: angeht und tatsächlich entsprechende Einrichtungenanlagen betreibt, um Wasserversorgung sicherzustellen,
00:07:03: aber gleichzeitig auch die Abwasserreinigung voranzubringen.
00:07:06: Und das sind auch heute noch die beiden wesentlichen Aufgaben.
00:07:10: Der Rohrverband ist zuständig für die Rohwasserbereitstellung für 4,6 Millionen Menschen, die aus dem Ruhrwasser ihr Trinkwasser erhalten
00:07:21: und gleichzeitig für die Sicherstellung einer hohen Ruhrwasserqualität, um daraus auch
00:07:28: entsprechend Trinkwasser gewinnen zu können.
00:07:31: Dazu betreibt der Rohrverband 65 Kläranlagen, über 500 Niederschlagswasserbehandlungsanlagen.
00:07:37: Insgesamt sind es fast 800 wasserwirtschaftliche Anlagen, die wir im gesamten Fluseinzugsgebiet
00:07:43: der Ruhr betreiben.
00:07:44: Ist das richtig, dass das schon eine deutschlandweite Besonderheit, die Art und Weise, wie wir an
00:07:52: der Ruhr die Wasserversorgung gestalten, dass über den Grunde, über Oberflächenwasser
00:07:58: und über die Talsperren, über die Steuerung, die der Rohrverband macht, wir ja auch mit
00:08:04: unseren Wasserwerken als Gelsenwasser, aber die gesamte AWWR, also die Arbeitsgemeinschaft
00:08:09: der Wasserwerke an der Ruhr, ja im Grunde die Wasserversorgung aus ihrer Steuerung heraus
00:08:15: generieren?
00:08:16: Ja, das ist sicherlich eine Besonderheit in der Ruhrregion, die natürlich auch ihren
00:08:24: Ursprung in der Industrialisierung dieser Region hatte.
00:08:29: Durch den Steinkohlebergbau, der ja schon vor vielen Jahrhunderten begann, wurde das
00:08:37: Grundwasser immer weiter abgesenkt und zu den Hochzeiten lagen die Grundwasserspiegel
00:08:42: eben in einer Tiefe, dass auf einem natürlichen Wege keinerlei Grundwasser mehr gefördert
00:08:47: werden konnte.
00:08:48: Insofern blieb als einzige Quelle für die Trinkwasserversorgung eigentlich nur das Oberflächenwasser
00:08:54: übrig.
00:08:55: Die M-Schirrgenossenschaft, viele Hörer und Hörer werden sich erinnern, war über viele
00:09:00: Jahrzehnte eigentlich der Abwasserfluss des Ruhrgebietes, in dem zum Teil eben auch in
00:09:05: früheren Jahrzehnten, zu Beginn des letzten Jahrhunderts, auch ungeklärtes Abwasserabfluss
00:09:10: insofern schied die M-Schirr als Trinkwasserquelle von vornherein aus.
00:09:14: Aber als bewusste Entscheidung, dass man damals gesagt hat, dass man Opfer sozusagen die M-Schirr
00:09:20: für die Abwässer.
00:09:21: Genau, als bewusste Entscheidung, weil es damals bautechnisch gar nicht vorstellbar
00:09:24: war, tatsächlich unterirdische Kanäle in der Kernzone des Ruhrgebietes anzulegen, bedingt
00:09:29: durch die Bergsenkungen, hätte es natürlich zu ganz erheblichen Problemen bei der Abwasserableitung
00:09:35: dann kommen können.
00:09:37: Und deshalb wurde ganz bewusst frühzeitig die Entscheidung getroffen, tatsächlich die
00:09:42: M-Schirr als klassischer Vorfluter zu nutzen und darüber, dass Abwasser in den dann folgenden
00:09:49: Jahrzehnten immer stärker auch vorgereinigt in den Reihen abzuleiten.
00:09:54: Und was blieb, war die Ruhr ein vergleichsweise kleiner Fluss für knapp fünf Millionen Menschen,
00:10:00: aus dem dann die Trinkwasserversorgung sichergestellt wurde.
00:10:03: Das funktioniert ja jetzt, also seitdem, ich glaube, würden Sie sicherlich nicht widersprechen,
00:10:13: dass das immer besser funktioniert, wenn man den Ruhrbütebericht sich ansieht, der
00:10:18: ja sehr aufwendig und mit sehr vielen zahlen Fakten immer wieder rausgegeben wird, dann
00:10:23: kann man ja kontinuierlich über die Jahrzehnte hinweg sehen, dass die Qualität sich immer
00:10:27: weiter verbessert, dass im Grunde die Versorgung sich immer weiter normalisiert hat trotz Bergbau
00:10:33: und auch in der Nachfolge des Bergbaus.
00:10:34: Jetzt haben wir die im letzten Jahrzehnt schon längerfristig immer wieder die, sagen wir
00:10:43: mal schon, Veränderungen, die Sie auch immer wieder als Folge des Klimawandels schon bewusst
00:10:49: auch setzen.
00:10:50: Wie äußert sich der Klimawandel an der Ruhr aus Ihrer Sicht?
00:10:55: Der Klimawandel ist eine der zentralen Herausforderungen, wenn wir auf die Zukunft der Wassermengenwirtschaft
00:11:04: an der Ruhr blicken.
00:11:05: Also die Frage, wie können wir auch in den nächsten Jahrzehnten sicherstellen, dass
00:11:10: wir eine verlässliche Versorgung von fünf Millionen Menschen mit Trinkwasser aus der
00:11:17: Ruhr gewährleisten können.
00:11:19: Und der Klimawandel wirkt sich in sehr unterschiedlicher Weise auf diese Herausforderung aus.
00:11:25: Das, was wir in den letzten 14 Jahren erlebt haben, sind ausgesprochen trockene Jahre.
00:11:32: Wir haben, was es noch nie gab in der Geschichte, seitdem wir Niederschlagsaufzeichnungen registrieren
00:11:39: und das ist seit Ende des 19.
00:11:41: Jahrhunderts der Fall, gab es 14 zutrockene Abflussjahre in Folge.
00:11:47: Das heißt, 14 Jahre in Folge hat es weniger geregnet als im langjährigen Mittel.
00:11:52: Und sie hatten ja eben die Niederschlagshöhen in Ostwestfalen angesprochen.
00:11:58: Im Ruhr-Einsuchsgebiet haben wir ein Jahresniederschlag von den Mitteln 1050 mm.
00:12:04: Und tatsächlich hatten wir in den 14 Jahren zuvor Niederschlagshöhen, die teilweise bis
00:12:11: zu 300 mm niedriger lagen.
00:12:14: Und das 14 Jahre in Folge bedeutet vor allem natürlich eine besondere Herausforderung
00:12:20: für die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung, direkt aus der Ruhr, aber natürlich auch
00:12:26: für die Trinkwasserversorgung aus Grundwasser in Teilen des Sauerlandes.
00:12:31: Und ich kann mich noch sehr gut an das Jahr 2018 erinnern, ein ausgesprochen trockenes
00:12:38: Jahr, in dem es 10 Monate lang so wenig geregnet hat, wie wir es so gut wie noch nie in der
00:12:46: langen Geschichte des Verbandes erlebt haben.
00:12:49: Und dort führte dies zum Teil dazu, dass einzelne kleine Wasserversorgungsunternehmen
00:12:55: im Sauerland kein Grundwasser mehr fordern konnten.
00:12:58: Und das Grundwasser tatsächlich von anderen Regionen per Tankwagen angefahren werden
00:13:03: musste.
00:13:04: Und das macht deutlich, wir sind eigentlich mitten in den Herausforderungen des Klimawandels.
00:13:09: Und das ist die zentrale Aufgabe, die sich der Ruhrverband auch stellt, dafür zu sorgen,
00:13:14: dass wir auch im Jahr 2100 noch eine verlässliche Trinkwasserversorgung trotz dessen, was uns
00:13:22: der Klimawandel noch bescheren wird, erleben werden.
00:13:25: Die zweite Herausforderung, wenn ich die noch ergänze, darf die zweite Herausforderung,
00:13:29: die mit dem Klimawandel verbunden ist, ist, dass es wärmer wird.
00:13:33: Auch das merken wir im Ruhreinstudiosgebiet jetzt seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen.
00:13:39: Auch das ist seit 1881 der Fall und die Temperatur hat sich inzwischen um etwa 1,5 Grad Celsius
00:13:47: erhöht.
00:13:48: Und das ist im Übrigen genau der Wert, der im Priser Klimaabkommen steht.
00:13:52: Und wir sind jetzt erst im Jahr 2023 und dieser Wert war eigentlich für das Jahr 2100 prognostiziert.
00:13:58: Und höhere Temperaturen bedeuten natürlich auch höhere Temperaturen im Oberflächenwasser
00:14:03: mit allen Konsequenzen, die daraus resultieren.
00:14:07: Was sind die Konsequenzen?
00:14:08: Verdunstung?
00:14:09: Verdunstung in stärkerem Maße als wir das bisher kannten.
00:14:13: Höhere Temperaturen bedeuten natürlich auch Stress für die Ökologie.
00:14:16: Höhere Temperaturen bedeuten stärkere Sauerstoffzährung in den Gewässern.
00:14:20: Wir werden, das zeigen alle wissenschaftlichen Untersuchungen, vermehrt mit Algenblüten in
00:14:25: uns on Talsperren zu tun haben.
00:14:28: Das sind die Konsequenzen, die aus dem Temperaturanstieg resultieren.
00:14:33: Ich würde gerne, bevor wir da nochmal tiefer nachgehen, was jetzt die Trockenheit betrifft,
00:14:40: nochmal kurz auf das Phänomen Hochwasser hinausgehen.
00:14:44: Weil ich immer wieder wahrnehme, dass das Jahr 2021 sehr stark mit dem Ahrtal verbunden
00:14:49: wird, wo wir die Bilder natürlich alle präsente haben.
00:14:52: Das war eine furchtbare Auswirkung, die damals hatte.
00:14:55: Wir haben aber auch am Ruhrgebiet massive Auswirkungen gehabt.
00:15:00: Das manchmal vergisst.
00:15:01: Ganz genau.
00:15:02: Wir hatten tatsächlich 2021 das höchste Hochwasser an der Ruhr seit 1946.
00:15:11: Das ist insofern bemerkenswert, als inzwischen auch unser Talsperrensystem vollständig ausgebaut
00:15:19: ist.
00:15:20: Aber und auch das gehört zur Wahrheit dazu, unser Talsperrensystem erfasst lediglich 23%
00:15:28: der Einzugsgebietfläche.
00:15:30: Das heißt, 77% des im Ruhreinzugsgebietfallenden Niederschlags entstehen oder führen zu einem
00:15:38: Abfluss unterhalb der Talsperren oder dieser Abfluss geht an den Talsperren vorbei.
00:15:44: Kann also von Talsperren gar nicht beeinflusst werden.
00:15:46: Und das war 2021 genau der Fall.
00:15:50: Denn die Niederschlags-Schwerpunkte damals lagen eben nicht im Einzugsgebiet von Talsperren,
00:15:56: sondern ganz überwiegend im Niederschlags-Höhen im Bereich der Stadt Hagen und im Bereich
00:16:03: des merkischen Kreises.
00:16:05: Teilweise wurden Niederschlags-Höhen im Bereich der Stadt Hagen von 240 mm in 24 Stunden erreicht.
00:16:14: Niederschlags-Höhen, die noch nie in dieser Höhe aufgezeichnet wurden.
00:16:18: Und das führte eben zu diesem außergewöhnlichen Hochwasser an der Ruhr.
00:16:24: Und was für dieses Hochwasser noch sehr besonders war, war, dass es ein Sommerhochwasser war.
00:16:30: Die früheren Hochwässer an der Ruhr, also auch das von 1946, aber auch das größte bisher
00:16:35: gemessen aus 1890, sind alles klassische Winterhochwässer gewesen.
00:16:41: Warum sage ich das?
00:16:43: Das sage ich deshalb, weil natürlich im Sommer die Vegetation im Fluss Ruhr eine ganz andere
00:16:48: ist als im Winter mit stark belaubten Bäumen, starker Vegetation, was eben dazu führt,
00:16:54: dass der Fließwiderstand in der Ruhr höher wird und bei gleichem Abfluss die Wasserspiegellagen
00:17:00: ansteigen.
00:17:01: Durch die Vegetation kommt es zu einer verminderten Fließgeschwindigkeit und das führt eben zu
00:17:08: höheren Wasserspiegelständen.
00:17:10: Und das hat in der Konsequenz dazu geführt, dass wir 2021 an manchen Stellen an der Ruhr
00:17:16: so hohe Wasserstände hatten, wie sie zuletzt 1890 gemessen wurden.
00:17:21: Das macht deutlich, welche Dramatik dieses Hochwasser 2021 auch an der Ruhr hatte.
00:17:28: Glücklicherweise mussten wir an der Ruhr keine Todesopfer aus dem Hochwasser beklagen,
00:17:35: anders als an der Ahr oder an der Erft in Noctrin Westfalen.
00:17:39: Aber es war eben auch ein extremes Ereignis.
00:17:42: Das Talsperrensystem gerät dann da auch in ihre Grenzen.
00:17:47: Also ich habe damals auch wahrgenommen, dass ja die Steuerung des Talsperrensystems
00:17:52: doch auch ein wesentlichen Einfluss darauf hatte, dass die Dinge doch auch glimpflicher
00:17:57: abgelaufen sind, als sie hätten passieren können.
00:18:00: Sie haben mit den Talsperren auch durchaus ein Hebel, um die Wasserversorgung in positiven
00:18:07: oder positiven Bereichen, wie auch im Abflussbereich, nennenswert zu steuern.
00:18:13: Ja, das ist vollkommen richtig.
00:18:15: Und das sind auch die besonderen Herausforderungen im Betrieb solcher Talsperren.
00:18:21: Einerseits Talsperren aus dem Hochwasserschutz zu nutzen, andererseits aber auch für die
00:18:26: Bevorratung von Wasser zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung.
00:18:31: 2021, das darf ich durchaus mit Stolz für die Beschäftigten des Verbandes sagen, ist
00:18:39: es uns gelungen, tatsächlich maximalen Hochwasserschutz mit unseren Talsperren zu erreichen.
00:18:45: Unsere beiden größten Talsperren, die Möhne und die Biggetalsperre, waren am Ende der
00:18:50: Regenfälle im Juli 2021 zu 100 Prozent gefüllt, sind aber nicht übergelaufen.
00:18:58: Das ist immer ein Zeichen dafür, dass die Talsperren ihre Fähigkeiten, Retentionsraum,
00:19:05: also Rückhalterraum für die gefallenen Niederschlagsmengen zu bieten, vollständig gerecht wurden.
00:19:12: Und das war im Juli der Fall.
00:19:15: Und deshalb ist es uns gelungen, den Abfluss in der Spitze der unseren Talsperren zugeflossen
00:19:22: ist, um 77 Prozent zu reduzieren.
00:19:25: Das hat natürlich auch zu einer wesentlichen Dämpfung der Abflüsse an der Ruhr geführt.
00:19:32: Hätte es die Talsperren nicht gegeben, wäre der Wasserstand in Hattingen, dort messen wir,
00:19:39: den Abfluss um 30 Zentimeter noch höher gewesen.
00:19:43: Und das hätte zu weitreichenden Überflutungen geführt.
00:19:47: Allerdings auch das muss ich noch einmal erwähnen, trotz dieser Leistung durch die Talsperren
00:19:53: sind eben nur 23 Prozent des Einzusgebietes tatsächlich von Talsperren erfasst.
00:19:58: Das heißt, mehr ging mit unseren Talsperren tatsächlich nicht.
00:20:01: Und es kam hinzu, dass die Größenregenmengen eben unterhalb unseres Talsperrensystems gefallen sind.
00:20:08: Ich erwähne das auch deswegen, wenn ich das immer beachtlich finde, weil ja im Moment
00:20:13: auch sehr stark auch im politischen Raum darüber diskutiert wird, braucht es Talsperren, muss
00:20:20: man die Talsperren anders sehen, ist die Bedeutung eine gestiegene Klimawandel.
00:20:27: Ich habe vor einiger Zeit mal den wasserpolitischen Sprecher der Grünen, der Fraktion Bündnis 90,
00:20:33: die Grünen aus dem Bundestag bei uns hier in Glasklage, Jan Niklas Gesenhus.
00:20:39: Und er hat zu mir das Volk mir gesagt.
00:20:41: Ich glaube aber, dass wir insgesamt noch besser darin werden können, wirklich die Dramatik
00:20:47: des Themas zu vermitteln, das Gefühl der Dringlichkeit beim Wasser.
00:20:51: Das ist, glaube ich, bei vielen noch nicht so da.
00:20:54: Und ich glaube, vielleicht kann man eine Analogie ziehen.
00:20:57: Wir diskutieren im Moment ja viel über eine möglicherweise drohende Gastmangellage.
00:21:03: Wir haben heute de facto schon in den Sommermonaten eine Wassermangellage in einigen Regionen.
00:21:09: Teilen Sie eigentlich diese Einschätzung von Ihnen?
00:21:13: Also einerseits Wassermangellage und andererseits auch die Frage dann danach vielleicht, dass
00:21:20: die Dringlichkeit noch nicht angekommen ist?
00:21:22: Ich würde das vielleicht sogar noch etwas weiter zuspitzen wollen.
00:21:27: Dass es uns tatsächlich einerseits glücklicherweise gelungen ist in den letzten Jahrzehnten
00:21:34: eine ausgesprochen stabile, qualitativ hochwertige Dienstleistung in Bezug auf die Wasserversorgung
00:21:44: und die Abwasserentsorgung für alle Menschen in der Republik bereitzustellen.
00:21:49: Jeder, der schon einmal im Ausland war, kommt zurück nach Deutschland und freut sich darüber,
00:21:55: dass er hier zu jeder Zeit des Jahres bestes Trinkwasser aus dem Wasserhahn nehmen und
00:22:01: genießen kann.
00:22:02: Und was ist im Rest der Welt überhaupt nicht selbstverständlich?
00:22:06: Und die Selbstverständlichkeit, mit der auch Gelsenwasser, aber auch viele Wasserunternehmen
00:22:10: in Deutschland ihre Aufgaben erfüllen, hat zu einer gewissen Selbstverständlichkeit
00:22:15: geführt in der Wahrnehmung der Aufgabenerfüllung.
00:22:19: Und wir waren durchaus auch immer froh, ein Stück weit unter dem Radarstirm der Öffentlichkeit
00:22:26: zu sein in der Erfüllung unserer wasserwirtschaftlichen Aufgaben.
00:22:30: Wir merken aber jetzt, dass es dann natürlich, wenn es dann tatsächlich mal etwas krisenhafter
00:22:36: wird und die Klimakrise ist eine der zentralen Herausforderungen für die Wasserwirtschaft,
00:22:42: dass es dann auch durchaus schwerer fällt, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wieder
00:22:47: zu gewinnen, um darauf aufmerksam zu machen, dass eben auch der Wasserbereich unter diesen
00:22:54: besonderen Rahmenbedingungen leidet und auch entsprechende Aufmerksamkeit und politische
00:23:01: Unterstützung benötigt.
00:23:02: Und was wichtig ist in dieser Aussage, ist noch einmal der Bezug auf die Regionalität.
00:23:11: Wir merken, dass die Wasserprobleme, wenn ich das einmal so bezeichnen darf, in Deutschland
00:23:17: höchst unterschiedlich sind.
00:23:19: Also nehmen wir mal das Jahr 2023, in dem wir uns im Augenblick befinden, das ist an der
00:23:25: Ruhr ausgesprochen nass ausgefallen.
00:23:28: Wir haben stand heute etwa 20 Prozent mehr Jahresniederschlag registriert als im langjährigen
00:23:35: Mittel.
00:23:36: Insofern werden wir in diesem Jahr definitiv kein 15.
00:23:40: Jahr noch nicht zu trockenes Abfluss.
00:23:41: Das ist interessant, das war mir noch gar nicht klar.
00:23:42: Das ist schon die Verkündung dieses Jahres.
00:23:44: Die Serie wird gerissen.
00:23:46: Ja, für alle Wasserwirtschaftler unter den Zuhörerinnen ist wichtig zu wissen, dass
00:23:52: das Wasserwirtschaftsjahr jeweils am 31.
00:23:54: Oktober endet.
00:23:56: Scherzhaft kann man sagen, dass haben die Wasserwirtschaftler deshalb erfunden, um zweimal
00:24:02: im Jahr Silvester zu feiern.
00:24:04: Und tatsächlich gibt es auch einen Wasserwirtschafts-Silvester, der ist dann typischerweise am 31.
00:24:09: Oktober, dann endet das Wasserwirtschaftsjahr.
00:24:11: Und wir haben jetzt nur noch wenige Tage bis zum Ende.
00:24:15: Und deshalb kann man das ziemlich sicher sagen, dass dieses Jahr tatsächlich kein trockenes
00:24:20: Abflussjahr sein wird.
00:24:22: Auch unsere Talsperren sind im Augenblick mit 81 Prozent deutlich besser gefüllt als
00:24:28: nicht nur in allen Jahren zuvor, sondern vor allem auch als im langjährigen Mittel.
00:24:33: Das ist aber der Blick auf noch einiges Fallen.
00:24:36: Wenn wir jetzt nach in den Osten gehen, nach Sachsen beispielsweise oder nach Mecklenburg-Vorpommern.
00:24:41: Dort haben wir auch heute noch eine ausgesprochene Dürre in den oberen Bodenschichten, etwas,
00:24:46: was wir in Nordhänisfalen zum Glück in diesem Jahr nicht mehr hatten in den letzten Wochen
00:24:52: jedenfalls.
00:24:53: Und das macht eben deutlich, die Regionalität, auch der Klimauswirkung wird sich noch weiter
00:25:00: zuspitzen und wird auch zu sehr unterschiedlichen Herausforderungen führen.
00:25:05: Und gerade der Osten, der ja ohnehin deutlich niederschlagsärmer ist als der Westen, wird
00:25:11: dies als erstes zu spüren bekommen.
00:25:14: Und wir merken das ja auch an den Diskussionen um die Ansiedlung von Unternehmen, die in
00:25:21: erheblichem Maße auch auf Wasservorräte, sei es Grundwasser oder auch Oberflächenwasser,
00:25:26: angewiesen sind.
00:25:27: Es wird ein Nutzungsdruck entstehen auf die verbleibenden Wasservorräte und der wird
00:25:33: sich regional höchst unterschiedlich ausprägen.
00:25:35: Glauben Sie, dass wir in Deutschland in absehbarer Zeit mehr Wasseransatzungen machen?
00:25:40: Weil Sie gerade Ostdeutschland und den Raum Berlin-Ostsee angesprochen haben, da wird
00:25:47: das ja zum ersten Mal schon wieder ernsthaft diskutiert.
00:25:49: Ich würde jetzt im Augenblick noch nicht davon ausgehen, dass wir irgendeinen vergleichbaren
00:25:54: Standard mit den Wüstenstaaten erreichen werden, was die Mehrwasserentsalzung angeht.
00:26:02: Aber wir haben ja durchaus auch in einigen Regionen erhebliche Probleme mit der Versalzung
00:26:07: von Grundwässern, Stichwort "Brakwasser".
00:26:11: Und da kann eine Entsalzungsanlage natürlich auch ein Mittel sein, um auch dieses Wasser
00:26:18: für die Zwecke der Trinkwasserversorgung nutzbar zu machen.
00:26:21: Meine Erwachtung ist, dass dies eher ein regional sehr begrenztes Thema für Deutschland sein
00:26:28: wird, zumal wir auch nur an wenigen Stellen tatsächlich diesen Meereszugang einerseits
00:26:34: haben und andererseits eben auch große Wasserbedarfe haben.
00:26:38: Diese Frage stellt sich beispielsweise in den Niederlanden in ganz anderer Weise, wie
00:26:44: dort zukünftige Wasserversorgungskonzepte in Zeiten des Klimawandels aussehen werden.
00:26:50: Jetzt sind wir vom Ruhrgebet gekommen und Sie haben eben gesagt, dieses Jahr ist es
00:26:59: eines, was überdurchschnittlich oder zumindest nicht zu trocken ist.
00:27:02: Jetzt liegt aber die Krux ja daran, dass der Durchschnitt auch nicht immer das optimal
00:27:09: ist.
00:27:10: Es geht ja nicht nur um Durchschnitt.
00:27:11: Ich glaube, Karl Valentin hat mal gesagt, wenn ich mit dem Kopf im Kühlschrank bin
00:27:14: und mit dem Hintern auf der Herdplatte, ist es im Durchschnitt auch relativ warm.
00:27:17: Sondern es geht ja darum, dass letztendlich wochenlang extreme Situationen sind, gerade
00:27:24: im Sommer.
00:27:25: Sie plädieren in der Politik auch dafür eben die Wasserversorgung und Gartessystem der
00:27:32: Talsperren, anders zu denken, deswegen.
00:27:35: Richtig.
00:27:36: Ja, richtig.
00:27:37: Das hat aber vor allem damit zu tun, dass wir langfristig gesehen häufiger von Dürre-Päden
00:27:45: betroffen sein werden, als das jemals zuvor der Fall war.
00:27:49: Das zeigen eigentlich alle unsere Klimamodelle, die wir in den letzten 15 Jahren gerechnet
00:27:56: haben für unser Einzugsgebiet.
00:27:58: Also Sie merken aus meiner Formulierung Klimawandelanpassung in Bezug auf die Trinkwasserversorgung
00:28:05: ist für den Ruhrverband kein neues Thema.
00:28:07: Wir haben uns vor 15 Jahren schon mit der Frage auseinandergesetzt, was passiert eigentlich,
00:28:13: wenn der Klimawandel in unserem Einzugsgebiet Einzug hält und sich die Situation in Bezug
00:28:19: auf Niederschläge und Temperaturen deutlich verändert.
00:28:22: Und ich will das mal auf einen Punkt bringen.
00:28:26: Ein Ergebnis der damaligen Szenarienberechnung, die wir durchgeführt haben, war, dass die
00:28:32: Wahrscheinlichkeit, dass die Möhntalsperre leer läuft, von einmal in 500 Jahren vor den
00:28:40: Zeiten des Klimawandels, auf einmal in 200 Jahren zurückgeht.
00:28:45: Jetzt mag man sagen, auch einmal in 200 Jahren ist noch durchaus akzeptabel, aber niemand
00:28:52: garantiert ja, dass das erst in 200 Jahren passiert, sondern das kann auch in zwei oder
00:28:57: drei Jahren passieren.
00:28:58: Und niemand will sich ernsthaft vorstellen, was passiert, wenn tatsächlich die Möhntalsperre
00:29:03: leer liefe, was dramatische Auswirkungen nicht nur auf die Trinkwasserversorgung hätte,
00:29:09: sondern natürlich auch auf die Ökologie in der Talsperre selbst, aber auch in der Möhne
00:29:15: und anschließend in der Ruhe.
00:29:17: Das heißt, seit 15 Jahren versuchen wir uns die Frage zu beantworten, wie müssen wir
00:29:22: eigentlich unsere Systeme anpassen, um auf diese Herausforderung, das Klimawandel zu
00:29:28: reagieren.
00:29:29: Und durch dieses extreme Trockenjahr 2018 haben sich diese Überlegungen nochmal weiter
00:29:36: konkretisiert und wir haben in den Jahren 2020 und 2021 umfangreiche Studien angestellt,
00:29:46: um einerseits uns die Frage zu beantworten, wie verändert sich das Wasserdargebot und
00:29:51: wie müssen wir unsere Talsperren zukünftig besser angepasster steuern, um klimaresilient
00:29:59: zu sein und andererseits, was bedeutet eigentlich der Klimawandel auch für die Gewässerökologie
00:30:04: und die Qualität.
00:30:06: Und diese Ergebnisse liegen jetzt seit etwa anderthalb Jahren in umfangreicher Form vor,
00:30:13: sowohl die Mengenbetrachtung wie aber auch die Qualitäts- und Ökologiebetrachtung.
00:30:18: Und daraus ist von unserer Seite sehr klar abgeleitet worden, wir müssen die Talsperrensteuerung
00:30:25: ändern, um zukünftig auch weiterhin eine sichere Trinkwasserversorgung in Zeiten des Klimawandels
00:30:31: gewährleisten zu können.
00:30:33: Die Steuerung über die Talsperren, also vereinfacht gesagt, entscheiden Sie über die Menge, wie
00:30:41: viel Wasser in die Ruhe geht und wie viel Wasser zurückgehalten wird aus den Talsperren,
00:30:45: sodass sie auch für die Wasserversorgung dann vorrätig sind.
00:30:49: Wie läuft die Steuerung jetzt aktuell ab?
00:30:52: Da gibt es ein Gesetz dafür.
00:30:53: Ganz genau, das ist tatsächlich auch eine Besonderheit des Ruhrverbandes.
00:30:59: Wir betreiben, ich erwähnte es, acht Talsperren im Einzugsgebiet der Ruhr.
00:31:04: Und für die meisten Talsperren in Deutschland gibt es individuelle Talsperrenbetriebspläne,
00:31:11: in denen dann festgelegt wird, wie viel aus der Talsperre jeweils bei welchem Füllstand
00:31:16: abzulassen ist.
00:31:18: Das ist im Ruhr-Einzugsgebiet anders geregelt.
00:31:22: Dort hat der Gesetzgeber 1990 festgelegt, dass der Ruhrverband die Talsperren so zu
00:31:29: steuern hat, dass an zwei definierten Pegeln in der Ruhe, der eine ist in Hattingen und
00:31:35: der andere ist in Schwerte, immer ein gesetzlich festgelegter Mindestabfluss einzuhalten ist.
00:31:41: Das sind in Hattingen 15 Kubikmeter pro Sekunde und in Schwerte 8,4 Kubikmeter pro Sekunde.
00:31:47: Und das sind vergleichsweise hohe Werte in Zeiten des Klimawandels.
00:31:51: Das hat uns beispielsweise das Jahr 2018 deutlich gelehrt.
00:31:56: Dort hatte das gesamte Talsperrensystem Anfang Dezember 2018 nur noch einen Füllstand
00:32:04: von 43 Prozent.
00:32:06: Wo kommen diese Werte eigentlich her, diese 15 und diese 8?
00:32:10: Die sind gesetzlich festgelegt worden.
00:32:12: Und das Anekdotisch durchaus Interessante an dieser Festlegung ist, dass ursprünglich
00:32:20: das Umweltministerium, das den Gesetzentwurf formuliert hat, für diese beiden Pegel andere
00:32:26: Werte vorgeschlagen hat, als sie schließlich im Gesetz Eingang gefunden haben.
00:32:32: Das Umweltministerium hatte damals 1989 als die Diskussion um das neue Ruhrverbandesgesetz
00:32:38: entstanden vorgeschlagen, für Hattingen einen Wert von 12 festzulegen.
00:32:44: Ich hatte gerade erwähnt, der heutige Wert ist 15 und einen Wert von 5,4 für Schwerte.
00:32:51: Und hier der politischen Diskussion ist sozusagen auf der Zielgerade dieses Wertepaar geändert
00:32:59: worden, ohne dass wir heute klar nachvollziehen können, welche Gründe es für diese Änderung
00:33:07: geben hat.
00:33:08: Es gab eben in der parlamentarischen Beratung ganz am Schluss einen Vorschlag, diese beiden
00:33:14: Werte um jeweils 3 Kubikmeter pro Sekunde zu erhöhen.
00:33:18: Und daraus ist dieses Wertepaar, das wir heute haben, von 15 in Hattingen und 8,4 in Schwerte
00:33:24: entstanden.
00:33:25: Jetzt kann man darüber führen, was das für Gründe gehabt haben müsste oder was für
00:33:31: Interessen dann letztendlich dabei eine Rolle spielen.
00:33:33: Aber also, ich komme hier mal darauf an, welche Art von Grund ist das?
00:33:38: Gibt es eine wissenschaftliche Herleitung dafür für diese Plus 3?
00:33:42: Nein, also uns ist jedenfalls keine bekannt.
00:33:44: Und wir wissen sehr gut, wie diese 12 Kubikmeter pro Sekunde und diese 5,4 Kubikmeter pro Sekunde
00:33:52: damals entwickelt wurden.
00:33:54: Das war auf Basis von wissenschaftlichen Gutachten.
00:33:57: Was der notwendig ist, um die Wasserführung an der Ruhe tatsächlich in allen Zeiten sicherzustellen,
00:34:05: einerseits und andererseits aber auch einen ökologischen Wert von Lebensraum zu erhalten.
00:34:11: Auch das ist ja in diese Mindestabflüsse enthalten.
00:34:17: Und so sind diese Werte damals festgelegt und vom Umweltministerium vorgeschlagen worden.
00:34:22: Und das, was wir heute mit unseren Klimastudien im Prinzip abgeleitet haben, ist genau dieses
00:34:32: Wertepaar, dass wir 1989 schon einmal in der Diskussion hatten, nämlich die Abflüsse
00:34:38: wieder jetzt um 3 Kubikmeter pro Sekunde zu reduzieren.
00:34:42: Und da zeigen eben alle Klimamodelle, wenn wir dies tun, wären wir ein deutlich höheres
00:34:49: Maß an Klimaresilienz erreichen, als das ohne eine Anpassung im Gesetz der Fall sein wird.
00:34:57: Wie ist das denn jetzt gelaufen eigentlich zu den letzten Jahren?
00:35:00: Also das ist vielleicht auch nicht jedem bekannt.
00:35:02: Da ist dann ein Wert, der ist im Gesetz und der war dann offensichtlich die letzten Jahre
00:35:07: ständig zu hoch.
00:35:08: Genau, der war in den letzten Jahren ständig zu hoch.
00:35:11: Und seit 2018 haben wir mit Ausnahme dieses Jahres in jedem Jahr von der auch im Gesetz
00:35:18: vorgegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, nämlich eine Ausnahmegenehmigung zu erlangen,
00:35:26: eine Ausnahmegenehmigung, die es uns erlaubt, dann die Mindestabflüsse entsprechend abzusenken.
00:35:32: Das ist in all den Jahren notwendig gewesen, um die tatsperren Vorräte zu schonen.
00:35:37: Und das hat eben dazu geführt, dass wir diese Werte auch in der Vergangenheit schon mehrfach
00:35:44: auch über Wochen und Monate hinweg erreicht haben.
00:35:47: Diese wissen ziemlich genau, welche Konsequenzen dies auch für das Abflussgeschehen an der
00:35:53: Ruhr hat und sind natürlich auch bereit, uns einem umfangreichen Monitoring zu unterziehen.
00:36:03: Sollte es dann tatsächlich zu der von uns vorgeschlagen und auch erwarteten Änderungen
00:36:09: des Gesetzes kommen.
00:36:11: Jetzt haben Sie diesen Vorschlag ja auch schon vorgebracht.
00:36:17: Das ist ja eine Diskussion, die auch schon eine Weile läuft.
00:36:21: Auch wir kennen das und haben natürlich ein großes Interesse daran, dass die Wasserversorgung
00:36:26: gewährleistet bleibt, also sicher auch gewährleistet bleibt.
00:36:29: Warum ist das noch nicht umgesetzt worden?
00:36:34: Ich meine, Sie haben ja die absolute Institutionen, was die Wasserversorgung und die Daten dafür
00:36:39: betrifft.
00:36:40: Warum hat man nicht schon längst gesagt, okay, der Ruheverband sagt, Professor Jardin sagt,
00:36:45: es ist notwendig, dann wird das wohl schon auch so sein.
00:36:47: Also wir waren ja schon einmal so weit.
00:36:50: Ich erwähnte, 2021 waren die Jahre, in denen wir diese Modellbetrachtung durchgeführt
00:36:57: haben, die wir anschließend sehr intensiv auch mit dem Umweltministerium diskutiert haben.
00:37:02: Und zum Ausklangen der letzten Legislaturperiode in Düsseldorf gab es tatsächlich einen
00:37:11: Gesetzentwurf aus dem Umweltministerium, in dem im Prinzip genau das enthalten war,
00:37:17: was wir auch vorgeschlagen haben.
00:37:19: Dieser Gesetzentwurf ist ins Parlament eingebracht worden.
00:37:23: Allerdings konnte er wegen der ausgehenden Legislaturperiode dann nicht mehr verabschiedet
00:37:28: werden.
00:37:29: So dass wir dann in der neuen Legislaturperiode nun auch mit einer etwas anderen politischen
00:37:37: Zuständigkeit erneut diesen Vorstoß unternommen haben, um das Gesetz zu ändern.
00:37:42: Und alles, was wir aus dem Ministerium im Augenblick hören, es hat sehr intensive Gespräche
00:37:47: in den letzten Monaten mit dem Ministerium gegeben, ist, dass die wasserwirtschaftlichen
00:37:55: Verabredung, die wir getroffen haben, um beispielsweise auch jegliche denkbare Beeinträchtigung von
00:38:02: Ökologie und Qualität in der Ruhe bei abgesenkten Mindestabflüssen zu vermeiden, dass dieser
00:38:09: Verabredung alle übereinstimmend vorgenommen wurden zwischen Ministerium und Ruhrverband.
00:38:15: Und es offensichtlich im Augenblick naturschutzrechtliche Bedenken gibt, ob diese Gesetzänderung
00:38:24: jetzt in dieser Form auch umgesetzt werden kann.
00:38:27: Was ist, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, vor anderthalb Jahren offensichtlich
00:38:32: nicht gab, diese Bedenken?
00:38:34: Und deshalb sind wir jetzt einigermaßen überrascht, dass diese Bedenken jetzt erneut auf den
00:38:39: Tisch kommen, die wir eigentlich glaubten vor anderthalb Jahren schon ausgeräumt hatten.
00:38:42: Wissen Sie, welches Naturschutzgesetz es geht bei der ganzen A&A?
00:38:48: Ja, natürlich.
00:38:49: Es geht um das FFH-Rrecht.
00:38:51: Und das FFH-Rrecht ist ein sehr strenges europäisches Recht.
00:38:57: FFH steht für Flora fauna habitat, also ein strenges Naturschutzrecht.
00:39:02: Und das schreibt, ich versuche das mal sehr holzschnittsartig zu formulieren, vor, dass
00:39:09: es durch entsprechende Maßnahmen nicht zu einer Verschlechterung der Ökologie in den
00:39:14: geschützten Gebieten kommen darf.
00:39:16: Und das haben wir sehr umfassend untersucht und können für die allermeisten FFH-Gebiete
00:39:23: eine solche Beeinträchtigung tatsächlich ausschließen.
00:39:26: Jedenfalls ist das das Ergebnis der Begutachtung gewesen.
00:39:30: Allerdings kann es, ist es nicht ganz ausgeschlossen, dass es im Bereich der oberen Ruhe zu solchen
00:39:37: Beeinträchtigungen kommen kann.
00:39:39: Weshalb wir uns eben auch zu umfangreichen Kompensationsmaßnahmen bereit erklärt haben,
00:39:47: die umgesetzt werden sollen, um solche Beeinträchtigungen von vornherein zu vermeiden.
00:39:53: Und jetzt ist die Frage, naturschutzrechtlich, kann denn eine solche Maßnahme schon umgesetzt
00:40:01: werden, bevor solche Kompensationswirkungen alle vollständig etabliert sind oder muss
00:40:10: zunächst darauf gewartet werden, dass all diese Maßnahmen umgesetzt sind.
00:40:15: Und da sagt das FFH-Rechtschicht der Gesetzgeber, kann durchaus von einer Ausnahmeregelung Gebrauch
00:40:24: machen, wenn es ein überwiegendes öffentliches Interesse an dieser Maßnahme gibt.
00:40:30: Und jetzt würde ich einmal aus Sicht des Rohrverbandes formulieren, ein überwiegendes öffentliches
00:40:37: Interesse an einer sicheren Trinkwasserversorgung für 4,6 Millionen Menschen kann man hierbei,
00:40:43: glaube ich, schon voraussetzen.
00:40:45: Ich glaube, das müsste man so sehen.
00:40:48: Also wenn man das einordnet in die Gesamtdiskussion, die Moment hat, sie hatten am vor einiger
00:40:53: Zeit im Gespräch gesagt, ja, wir gingen immer davon aus.
00:40:57: Als Wasserversorgung, das ist etwas, was funktioniert.
00:41:00: Da braucht man sich keine Gedanken drum zu machen und deswegen fällt es im Moment noch
00:41:06: so schwer klar zu machen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, Wasserversorgung zu gewährleisten.
00:41:13: Jetzt ist die Frage gerade mit Stichwort auf Vorrang der Wasserversorgung, Knappheit.
00:41:20: Was ist denn am Ende entscheidend?
00:41:23: Ist es wichtig, dass die öffentliche Trinkwasserversorgung gewährleistet ist?
00:41:28: Ich will mal so Frage vielleicht zum Abschluss des Gespräches.
00:41:32: Sie haben das eben so ein bisschen elegant um Schiff.
00:41:35: Was passiert denn, wenn das System Talsperre nicht mehr intakt ist?
00:41:40: Was passiert, wenn so eine Möhntalsperre dann eben leer läuft, weil sie zu viel Wasser
00:41:46: abfließen lassen mussten?
00:41:47: Ja, genau diese Situation hätten wir möglicherweise im Jahr 2018 fast gehabt.
00:41:55: Ich erwähnte, dass wir 2018 am Ende des Jahres einen Füllstand von nur noch 43 Prozent
00:42:03: in unseren Talsperren hatten.
00:42:05: Und natürlich haben wir uns damals die Frage gestellt, was passiert eigentlich, wenn wir
00:42:09: jetzt einen trockenen Winter bekommen?
00:42:11: Kleiner Einschub, trotz 14 zu trockenen Abflussjahren in Folge, war die Trinkwasserversorgung
00:42:18: aus unseren Talsperren in all den Jahren nie in Gefahr.
00:42:21: Warum?
00:42:22: Weil es in den Wintermonaten immer sehr ergiebig geregnet hat.
00:42:27: Und diese Winter haben dann die Talsperren wieder sehr gut gefüllt, sodass wir dann
00:42:31: in den trockenen Sommern, die danach kamen, immer ausreichend gefüllte Talsperren hatten.
00:42:36: Aber jetzt komme ich zurück auf das Jahr 2018.
00:42:39: Es gibt ja keine Garantie dafür.
00:42:41: Dass der Winter tatsächlich auch niederschlagsreich ist.
00:42:44: Und hätte es 2018/2019 einen trockenen Winter gehabt, so wie wir ihn früher auch immer mal
00:42:51: wieder erleben.
00:42:52: So wie wir ihn jetzt im Süden und in den Alpen auch extrem erleben.
00:42:56: Ganz genau.
00:42:57: Dann hätte es durchaus passieren können, dass zum Ende eines dann nochmal trockenen
00:43:02: Sommers und der Sommer 2019 war sehr trocken, dass dann die Talsperren tatsächlich auch
00:43:08: annähernd leer gelaufen wären.
00:43:10: Und das ist natürlich ein Szenario, das mag sich niemand vorstellen.
00:43:14: Auch in Bezug auf die ökologischen Auswirkungen wäre das der größte anzunehmende Unfall
00:43:21: im Betrieb eines Talsperrensystems, wenn tatsächlich Talsperren leer laufen sollten.
00:43:25: Deshalb sehen wir es als unsere Aufgabe, hierauf immer wieder und an jeder Stelle aufmerksam
00:43:32: zu machen, dass auch wenn solche Lagen nicht unmittelbar vor der Tür stehen, wie die Gasmangel-Krise,
00:43:39: die wir im vergangenen Jahr zu befürchten hatten, das aber mit dem, was uns der Klimawandel
00:43:44: in den nächsten Jahren bringen wird, wir immer stärker in diese Richtung kommen, dass
00:43:49: wir solche dramatischen Dürreperioden erleben werden.
00:43:52: Und wir müssen rechtzeitig dafür vorsorgen, dass wir auch in solchen Zeiten gewappnet sind,
00:43:59: um unseren Aufgaben nachzukommen und die Trinkwasserversorgung für fünf Millionen Menschen auch sicherzustellen.
00:44:04: Die dann gefährdet wäre, um es auf dem Punkt zu stellen.
00:44:07: Weil eine alternative Wasserressource in so einem Fall würde uns nicht einfallen.
00:44:12: Ja, das hatte ich ja ganz am Anfang auch beschrieben.
00:44:15: Die Ruhr ist die einzige verfügbare Rohwasserressource für die Trinkwassergewinnung in der Kernzone
00:44:22: des Ruhrgebetes, aber auch in weiten Teilen des Sauerlands.
00:44:25: Aufgrund fehlender verfügbarer Grundwasservorräte.
00:44:29: Deshalb ist die Ruhr eben so wichtig für die Trinkwasserversorgung.
00:44:34: Lieber Professor Jardin, ich hoffe sehr, dass Sie mit der Diskussion durchdringen mit den
00:44:41: Argumenten.
00:44:42: Es sind ja umfangreiche Diskussionen gemacht worden.
00:44:46: Es sind Gutachten vorgelegt worden.
00:44:48: Ich hoffe, dass wir vielleicht auch ein bisschen mit dem Gespräch dazu beitragen können,
00:44:52: dass die Ausgangslage und die Situation klarer geworden ist.
00:44:58: Ich habe eine Abschlussfrage, die ich immer stelle.
00:45:03: Bei "Glas klar" und diese Frage lautet, welche Frage hätten Sie gerne "Glas klar"
00:45:09: beantwortet in den nächsten 12 Monaten oder vielleicht so wie, denke ich mal, Ihnen am
00:45:13: liebsten noch im Jahr 2023, dass sich ja so langsam jetzt dem Ende nahe.
00:45:18: Welche Frage wäre das?
00:45:19: Das ist ganz einfach, Herr Bär.
00:45:21: Die Frage wäre, lieber Jardin, sind Sie denn mit Ihren Forderungen an die Politik,
00:45:28: das Rohrverbandgesetz an der Stelle zu ändern, durchgedrungen?
00:45:31: Und ich würde gerne die Antwort geben, ja, das Gesetzgebungsverfahren ist im Parlament
00:45:38: und wir sind sehr zuversichtlich, dass es möglicherweise noch im Jahr 2023 verabschiedet
00:45:44: wird.
00:45:45: Das hoffe ich auch.
00:45:46: Lieber Jardin, freue mich sehr, dass wir hier sein konnten hier.
00:45:50: Es war für mich auch sehr spannend und interessant.
00:45:53: Ich bin sicher für die Unruhe zu hören dann auch.
00:45:55: Ja, wir grüßen beide aus Essen in die Zuhörerschaft.
00:46:00: Ich bedanke mich sehr für dieses interessante Gespräch, Herr Bär.
00:46:04: Das war "Glas klar".
00:46:06: Der Politik-Podcast der Gelsenwasser AG.
00:46:08: Rund um Wasser, Energie, Klima und Digitalisierung.
00:46:12: Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen.
00:46:14: Danke fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge von "Glas klar".
00:46:18: [Musik]